QR 3 Streuobstallee Sulberg + Sorten + Veredelung

Der Weg über den Sulberg war die historische Verbindung zwischen Duderstadt und Mingerode und Teil der Heer- und Handelsstraße von Nürnberg nach Lübeck. Die Straße folgte zwischen Duderstadt und Gieboldehausen größtenteils dem Verlauf der heutigen B247. Sie führte aber nicht wie heute am Fuß des Weinbergs südwestlich um den Sulberg herum, wo es für eine Straße zu feucht war, sondern nahm die steil ansteigende Abkürzung vorbei am Felsenkeller durch den bis heute vorhandenen, tief eingeschnittenen Hohlweg nach Mingerode. Am Ende des Hohlwegs beginnt die Obstbaumallee, in der bis zum Ortseingang am Mingeröder Neubaugebiet ca. 90 Obstbäume stehen.

Entlang solcher Verbindungswege verband man das Nützliche mit dem Schönen und pflanzte schon im 17. Jahrhundert Obstbäume, die den Straßenverlauf auch bei Schneeverwehungen markierten, zur Zeit der Obstblüte das Herz erfreuten, über Sommer Schatten spendeten und zur Erntezeit die Dorfbewohner und Durchreisenden mit Obst versorgten. Der Grünstreifen unter den Bäumen diente zudem der kleinbäuerlichen Viehhaltung. Von der Gemeinde beauftragte Chausseewärter waren oft auch für die Pflege, Vermarktung und Bewachung der Obstbäume zuständig. Im Vergleich zu dicht bepflanzten geschlossenen Streuobstwiesen sind die besser durchlüfteten Obstalleen auch für manche Obstsorten geeignet, die anfällig sind für Pilzkrankheiten. In der heutigen intensiv genutzten Agrarlandschaft sind Gehölzstrukturen an Wegrändern oft die einzigen Lebensund Rückzugsräume für Tier- und Pflanzenarten und dienen der Biotopvernetzung, was an stärker befahrenen Straßen aber auch nicht unproblematisch ist. Die Ernte von schadstoffbelastetem Obst an stark frequentierten Straßen ist zudem auch für den Menschen oft lebensgefährlich.

 

Der Weg zum Sulberg ist im Eigentum der Verkopplungsinteressentenschaft Mingerode, wird jedoch von der Landwirtschaft nur sporadisch genutzt und kann umso ausgiebiger für kurze Spaziergänge und längere Wanderungen genutzt werden und ermöglicht ein Naturerleben im Vorbeigehen. Damit eine Obstallee diese Funktionen auch erfüllen kann, braucht sie allerdings Platz. Ein großes Problem vieler Obstbaumreihen an Straßen und Wegen ist das zu geringe Platzangebot auf dem Streifen zwischen Fahrbahn und den Feldern. Bei der Pflanzung wird oft nicht bedacht, dass die Krone ausgewachsener Obstbäume meist einen Radius von fünf Metern oder mehr beansprucht. Der ist oft nicht vorhanden oder verringert sich im Laufe der Zeit noch durch Fahrbahnverbreiterung oder Abpflügen der Wegränder. Dann werden die Bäume nachträglich aufgeastet, große Wunden am Stamm schädigen die Bäume, und die Baumkronen werden für Pflege und Ernte unerreichbar. Das ist hier nicht der Fall. Die Bäume können ihre Gerüstäste zwar nicht 5 m weit in alle Richtungen ausstrecken, müssen aber auch nicht bis zur Höhe heutiger landwirtschaftlicher Fahrzeuge aufgeastet werden. Viele der hier gepflanzten Bäume gehören zudem zu den eher schwach bis mittelstark wachsenden Obstsorten oder bilden eher schmale hohe Kronen wie die meisten Birnen, sodass auch ein 4 bis 5 m breiter Wegrand für die Bäume akzeptabel ist.

Die Verkoppelungsinteressentenschaft Mingerode ist ein Zusammenschuss der Landwirte und kümmert sich um einen guten Zustand der Wege in der Feldflur. Die Landbesitzer finanzieren dies mit einer Umlage. Die Bäume in der Allee haben ein unterschiedliches Alter. Die ältesten sind vermutlich etwa 70 Jahre alt. 40 Äpfel und Birnenbäume sind im Jahr 1981 im Rahmen eines „Grünordnungsplanes Mingerode“ von der Stadt Duderstadt angepflanzt worden. Zuletzt wurden im Herbst 2019 abgängige Bäume durch 20 neue ersetzt. Es sind vor allem Äpfel, aber auch Kirschen, Birnen, Quitten und Pflaumen. Die Bäume sind in den letzten Jahren vom NABU Untereichsfeld gepflegt worden. Durch den NABU sind auch die jüngsten Nachpflanzungen erfolgt. Im Januar 2021 sind die Altbäume geschnitten worden. Der Ortsrat Mingerode, NABU Untereichsfeld und der Landschaftspflegeverband haben das finanziert.

Anfang August versteigert der Ortbürgermeister aus Mingerode das Obst der Bäume an interessierte Bürgerinnen und Bürger. Für Beträge zwischen 1.- und 10.- Euro kann die Ernte eines Baumes für ein Jahr gekauft und dann selbst gepflückt werden. Die versteigerten Bäume werden gekennzeichnet. Der Versteigerungstermin wird auf der Homepage des Ortsrates Mingerode, www.mingerode.de, veröffentlicht. Von den Einnahmen werden dann wieder neue Bäume angepflanzt. An manchen Bäumen hängt das Schild „Fallobst kann gegessen werden“, bitte probieren Sie dort. Die Kirschen können alle probiert werden, sie werden nicht versteigert. Bitte aber keine Äste abreißen. Derzeit gibt es wieder mehr Interesse an dem lokalen Obst. Bei den jährlichen Versteigerungen ist jetzt „richtig was los“. Mehrere hundert Euro kommen in die Kasse des Ortsbürgermeisters. Das Dorfprojekt „Mingerode 2030“ sammelt jedes Jahr das Fallobst auf und lässt daraus in der Natursaftkelterei Ott in Gieboldehausen den leckersten Apfel-Birnensaft herstellen. Den gibt es anschließend in der „Eichfelder Landschlachterei“ www.das-beste-vom-lan.de hinter dem „Ratskeller“ in Mingerode zu kaufen.

Die einzelnen Obstsorten sind im Schaukasten am Beginn der Allee beschrieben.
Die Bäume haben zusätzlich Sortenschilder.

Diese Postkarte stammt aus dem Jahr 1911. Das Fachwerkhaus neben der Kirche war die alte Schule. Das Haus ist abgerissen worden.

Kurzbeschreibung der Obstsorten in der Allee Mingerode – Sulberg

Apfelsorten

Alkmene
Schöner reichtragender Herbsttafelapfel mit an Cox Orange erinnerndem Aroma. Eher schwach wachsend, braucht regelmäßigen Schnitt und ist etwas krebsanfällig, ansonsten robust. 1930 aus Cox Orange und Geheimrat Oldenburg gezüchtet.

Baumanns Renette
Nur mäßig aromatischer Wirtschafts- und Tafelapfel mit regelmäßigem Ertrag. Mittelstarker Wuchs mit sparriger Krone, etwas krebs- und schorfanfällig. Um 1800 in Belgien gezüchtet.

Cox Orange
Ab Ende September pflückreifer sehr aromatischer Tafelapfel, der bis Januar lagerfähig ist. Der relativ dünntriebige, dicht verzweigende Baum ist sehr anfällig für verschiedenste Krankheiten und Schädlinge. Um 1825 in England als Ribston Pepping-Sämling entstanden.

Elstar
Sehr häufig angebauter, aromatischer feinsäuerlicher Tafelapfel, bis November lagerfähig. Dichter mittelstarker Wuchs, schorf- und stark mehltauanfällig. 1955 in den Niederlanden aus Golden Delicious und Ingrid Marie gezüchtet.

Fießers Erstling
Sortentypisch gewürzter, anfangs sehr saurer Wirtschaftsund Mostapfel, der nach Abbau der Säure auch als Tafelapfel taugt, bis März lagerfähig. Baum robust, zunächst starkwüchsig, später nachlassend. Regelmäßiger hoher Ertrag. Um 1880 in Baden-Baden gezüchtet.

Freiherr von Berlepsch
Edelaromatischer Tafelapfel mit hohem Vitamin C-Gehalt, bis Februar lagerfähig. Krebsanfällige verbreitete Liebhabersorte. Anfangs starker dichter Wuchs, später nachlassend und kleinfrüchtig. Ertrag zudem nur mäßig. 1880 aus Ribston Pepping und Ananasrenette gezüchtet. Der Rote Berlepsch ist eine stärker rot gefärbte Mutante des Berlepsch.

Gelber Richard
Einst geschätzter Tafelapfel mit süß-aromatischen Früchten. Baum stark wachsend mit hoher Krone, allerdings schorf-, mehltau- und krebsanfällig. Schon um 1800 in Mecklenburg beschrieben.

Gloster
Tafelapfel mit kaum aromatischem grünlich-gelbem Fruchtfleisch, bis April lagerfähig. Regelmäßiger hoher Ertrag, aber sehr schorfanfällig. 1951 aus Winterglockenapfel und Richared Delicious im Alten Land gezüchtet.

Goldparmäne
In alten Streuobstbeständen noch sehr häufige Sorte, allerdings anfällig für Krankheiten (u.a. Krebs) und Schädlinge. Oft vergreisen die Bäume in äußeren Kronenbereichen und bilden innen steile Neutriebe. Mäßig saftige Früchte mit Nussaroma. Sehr alte Sorte, vermutlich schon im 16. Jh. bekannt.

Goldrenette aus Blenheim
Typische Streuobstsorte, die sehr starkwüchsige Bäume mit spätem Ertragsbeginn und unregelmäßigem Ertrag bildet, auf schweren Böden krebsanfällig. Mäßig saftige Früchte mit Nussaroma, ähnlich der Goldparmäne. Um 1740 in England gefunden.

Gravensteiner
Ab Ende August pflückreife Herbstsorte mit saftigen, sehr wohlschmeckenden duftenden Früchten. Baum sehr starkwüchsig mit spätem Ertragsbeginn, anfällig für Schorf und Mehltau. Vermutlich schon im 17. Jh. in Dänemark entstanden.

Ingrid Marie
Im September reifender und bis Dezember lagerfähiger aromatischer Tafelapfel mit dunkelrot gefärbten Früchten. Die sehr dicht verzweigenden Bäume sind sehr anfällig für Krebs und Monilia. Um 1910 in Dänemark entdeckt, vermutlich ein Cox Orange-Sämling.

Jakob Lebel
Verbreitete säuerlich, saftige Sorte für viele Verwendungszwecke, früher bei Bäckereien beliebt. Starkwüchsig, etwas schorf- und krebsanfällig. Um 1825 in Nordfrankreich entstanden.

Jamba
Schöner saftiger Frühherbst-Tafelapfel mit wenig Aroma, der Anfang September pflückreif und nur wenige Wochen haltbar ist. Mittelstark wachsend, braucht regelmäßigen Schnitt. 1954 aus Melba und James Grieve im Alten Land gezüchtet.

James Grieve
Aromatische Frühherbstsorte mit jährlich hohen Erträgen. Der Baum ist eher schwachwüchsig und braucht regelmäßigen Schnitt. Anfällig für Krebs und Monilia. Einer der wichtigsten Vorfahren moderner Sorten. Im 19. Jh. entstanden.

Jonagold
Saftiger Tafelapfel, bis März lagerfähig. Mittel bis stark wachsend, anfällig für Mehltau, Schorf und Krebs. 1943 in den USA aus Golden Delicious und Jonathan gezüchtet, es gibt mehrere Mutanten, z.B. Jonagored, Red Jonaprince.

Moringer Rosenapfel
Schöner, reichtragender, bis Dezember lagerfähig Kräftiger Wuchs, wenig krankheitsanfällig. Im 19. Jh. in Moringen entdeckt, heute hauptsächlich im Raum Sulingen, wo der Pomologe Oberdieck wirkte, noch häufiger zu finden, um Moringen jedoch nur noch sehr selten im Streuobstanbau.

Ontario
Bis Mai lagerfähiger, säuerlich-aromatischer Tafel- und Wirtschaftsapfel mit hohem Vitamin C-Gehalt. Weit verbreitet. Baum eher schwachwüchsig, krebsanfällig. Um 1820 in den USA entstanden.

Pomme d’Or
Herber süßsäuerlicher, etwas bitterer hellgelber Apfel für Verarbeitungszwecke, z.B. zu Cidre. Oft als Stammbildner verwendet, der bei vernachlässigter Pflege die darauf veredelte Sorte verdrängen und selber die Krone bilden kann. Vermutlich im 18. Jh. in Frankreich entstanden.

Schöner aus Bath
Geschmacklich gute Frühsorte, die in warmen Lagen ab Mitte Juli reift. Die mittelstark wachsenden Bäume sind etwas krankheitsanfällig, tragen aber regelmäßig. Die Sorte wurde vermutlich Mitte des 19. Jh. in England gefunden.

Schöner aus Boskoop
Säuerlich-aromatischer Tafel- und Wirtschaftsapfel, bis März lagerfähig. Starkwüchsig, etwas schorfanfällig. Eine der häufigsten alten Sorten, 1856 in den Niederlanden entdeckt. Es gibt verschiedene Mutanten, z.B. Roter Boskoop.

Tiefenblüte aus Lippoldsberg
Von den Baumschulen in Lippoldsberg vor allem an der Oberweser und im gesamten Altkreis Hann. Münden verbreitete Regionalsorte, die aber auch bis ins Untereichsfeld und im Herzberger Raum vorkommt. Starkwüchsige, robuste, nur etwas krebsanfällige Wirtschafts- und Tafelobstsorte, bis März lagerbar.

Weißer Klarapfel
„Augustapfel“, früheste Sommersorte, ab Mitte Juli reif und nur wenige Tage lagerfähig, die säuerlich-aromatischen Äpfel ergeben bestes Apfelmus. Die mittelstark wachsenden, etwas krebsanfälligen Bäume müssen regelmäßig geschnitten werden. Stammt vermutlich aus dem Baltikum.