QR 5 Kirchtal
Das Kirchtal war und ist im Eigentum der Realgemeinde Mingerode, ein historischer Zusammenschluss von Landbesitzern, denen gemeinsam landwirtschaftliche
Flächen, Wald und die Gastwirtschaft „Ratskeller“ gehören. In der Mingeröder Dorfchronik von Andreas Müller wird beschrieben, dass das Kirchtal im Jahr 1913 aus zwei Teilflächen, einer „Schweine-Gänseweide 3,34 Hektar“ und einer „Obstbaumpflanzung 5,47 Hektar“ bestand. Die Obstbäume standen vom jetzigen Kinderspielplatz bis zur sogenannten S-Kurve 800 m talaufwärts. Auf der Schweine- und Gänseweide standen auch Obstbäume. Bis in die siebziger Jahre trieben die Landwirte morgens ihre Gänse auf die Weide im Kirchtal. Die Gänse schwammen in der Beeke und fraßen das Gras ab.
Die Jugend des Dorfes tat den Gänsen dann immer im Sommer einen großen Gefallen und dämmte den Bach ab. Gänse, Gänsescheiße und die Jugendlichen schwammen dann gemeinsam in dem Dreckwasser. Der Schreiber dieses Textes kann sich noch gut erinnern: Abends kamen in der Regel die Frauen der Landwirte und holten ihre Gänse ab. Die Gänse teilten sich auf und gingen im „Gänsemarsch“ mit der Bäuerin nach Hause. Neben den Gänsen waren auch Schafe auf der Fläche im Kirchtal. Der letzte Schäfer war Richard Kanngießer. Er hatte eigene Schafe, der größere Teil aber waren Schafe der Mingeröder Bauern. Mit ihnen zog er vom Frühjahr bis zum Herbst durch die Mingeröder Feldflur. Das Kirchtal und der Weg zum Sulberg waren gute Weideflächen für die Tiere.
In den sechziger und siebziger Jahren gab es in der Europäischen Union neben „Milchseen“ auch sogenannte Apfelberge, eine Überproduktion von Obst. Um diese abzubauen, gab es eine Prämie für jeden Obstbaum, der gefällt wurde. Jede Familie in Mingerode, die Mitglied der Realgemeinde war, musste einige Bäume fällen. Dadurch verlor das Kirchtal seinen Charakter als Tal mit Obstbäumen auf beiden Seiten. Als Ersatz wurden zum großen Teil Nadelbäume angepflanzt. Auf der Nordseite der Kirchtales wurde eine Wohnbebauung ermöglicht.
Kirchtal und Hochwasserschutz
Das Wasser aus dem Kirchtal war immer auch eine Bedrohung für die Einwohner des Ortes, insbesondere der Häuser in der Bachstraße. Das Wasser von den umliegenden Feldern ist bei Starkregen in das Kirchtal geflossen und aus dem kleinen Bächlein ist ein richtiger Bach geworden. Die Regenwasserkanäle in der Bachstraße und Lindenallee waren sehr schnell verstopft und das Wasser strömte über die Straße, leider dann auch in die anliegenden Häuser. Durch die Verrohrung des Bachlaufes in der Lindenallee und in der oberen Bachstraße hatte sich die Situation noch verschärft.
In den Jahren 1980 und 1981 stand jeweils die Bachstraße nach Starkregen unter Wasser. Sogar den Bierkeller im Gasthof „Ratskeller“ hat es überschwemmt. Es begann eine Diskussion über den Bau eines Dammes zur Hochwassersicherung. Gutachten wurden erstellt und Planungen in Auftrag gegeben. Zum Bau eines Dammes ist es nie gekommen. Aufgrund der Hochwassersituationen ist im Jahr 2020 wieder eine Diskussion über den Hochwasserschutz und das Kirchtal entflammt. Neu ist, dass es jetzt verstärkt lokale Starkregenereignisse gibt. Im Einzugsgebiet des Kirchtales regnet es ganz heftig und ein paar Kilometer weiter scheint die Sonne. Außerdem hat sich die Landwirtschaft gravierend geändert. Dort, wo in der Vergangenheit eine Vielzahl von kleinen Feldern mit Wegen und Gräben und unterschiedlichem Anbau lagen, gibt es jetzt große Mais- und Zuckerrübenfelder. Diese Feldfrüchte binden kein Wasser, der Boden ist bis in den Frühsommer offen, das Wasser strömt über die Felder schnell ins Kirchtal. Durch kleine bauliche Maßnahmen soll nun erreicht werden,
dass das Regenwasser nicht so schnell durchs Kirchtal und anschließend durch den Ort fließt.
Nach dem Entfernen der Fichten, die dem Borkenkäferbefall in den trockenen Jahren 2018 und 2019 und Stürmen zum Opfer gefallen sind, hat es bereits einige Umgestaltungsmaßnahmen im Kirchtal gegeben. Im Frühjahr 2020 wurde hinter dem Kinderspielplatz ein Feuchtbiotop und eine Blumenwiese angelegt. Das Wasser kommt aus der alten Badeanstalt. Der Mingeröder Bürger Adolf Stender hat sich hierbei besonders engagiert.
Im Herbst 2020 wurde unter Corona-Bedingungen ein Wanderweg vom Damm an der alten Badeanstalt bis zur Streuobstwiese Kirchtal angelegt. Sebastian Haase baggerte den Weg aus und die „Rentnerbrigade“ transportierte die Hackschnitzel, die den Wegbelag bilden.
Ein Freibad in unserm Dorf
Mingerode hatte einmal eine Badeanstalt! Die wenigsten Einwohner/innen oder Gäste wissen das. Im Mingeröder Kirchtal gab es ein Freibad. Der kleine Bach, die „Beeke“, der durch das Kirchtal fließt, speiste die Badeanstalt, und zwar ohne Zuführung irgendwelcher Chemikalien. Heute würde man das als Naturbad bezeichnen. Schon im Jahr 1928 gab es den Wunsch, im Kirchtal eine Talsperre als Hochwasserschutz und eine Badeanstalt zu bauen. Im Mai 1933 wurde nach den Plänen der Firma Borchard, Duderstadt, gebaut. Es war eine sogenannte Notstandsarbeit. Zum Ende der Weimar Republik und zu Beginn der NS-Zeit wurden Baumaßnahmen in der Regel mit der Hand Einweihungsfeier des neuen Bades. und ohne Maschinen durchgeführt, um möglichst viele Arbeitslose zu beschäftigen. Arbeitslose Bauarbeiter, die gab es in Mingerode damals genug. Die mit der Hand ausgehobene Erde wurde zu einem Damm hinter dem Freibad aufgeschüttet. Der Damm, der heute noch teilweise vorhanden ist, diente auch zur Hochwassersicherung.
Die Einweihung des Mingeröder Bades fand im Juni 1934 statt. Das Becken hatte eine Länge von immerhin 50 Metern und eine Breite von 12,5 bzw. 8 Metern. An der einen Seite gab es einen Nichtschwimmerbereich, der mit einem Zaun vom Schwimmerbereich abgetrennt war. Auf dem ersten Bild sieht man diesen Zaun sehr gut. Ein Sprungturm mit einem Ein-Meter-Brett und einem Drei-Meter-Brett stand auch zur Verfügung. Es gab Möglichkeiten zum Umziehen und eine Toilettenanlage. Bauherr war die Realgemeinde. Die Einnahmen aus dem Eintritt sollten die laufenden Kosten decken, was aber nicht klappte. Heute
schwimmen in der alten Badeanstalt nur noch Fische.
Die Informationen stammen aus der Mingeröder Ortschronik von Andreas Müller.